Am 20. November 2025 wurde der AG „Das Leben ist schön“ des Städtischen Gymnasiums Porta Westfalica eine besondere Ehrung zuteil: Die Dr.-Jørgen-Kieler-Medaille. Besonders aber auch deshalb, weil diese AG 1984 gegründet wurde und über mehrere Jahre hinweg lief. Bürgermeisterin Anke Grotjohann würdigte in ihrer Laudatio das außergewöhnliche Engagement der Schülerinnen, ihrer Lehrkräfte und aller Mitwirkenden, die seit Jahrzehnten einen bedeutenden Beitrag zur lokalen Erinnerungskultur leisten.
Die Auszeichnung der KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica nahm Elke Seiker stellvertretend für ihren verstorbenen Mann Reinhold Blanke-Bohne entgegen – jenem Lehrer, Forscher und Chronisten, dessen Arbeit die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Porta Westfalica maßgeblich geprägt hat.
Bürgermeisterin Grotjohann führte aus, dass die Auseinandersetzung mit den NS-Außenlagern an der Porta Westfalica lange Zeit als Tabu galt: „Ein Tabu brechen erfordert Kraft, Zeit und Hartnäckigkeit.“ Gerade weil das Thema jahrzehntelang verdrängt worden sei, komme den mutigen Initiativen von Schülerinnen und Lehrern eine besondere Bedeutung zu. Seit den 1980er-Jahren hätten die AG-Mitglieder das Schweigen aufgebrochen, Quellen recherchiert und Erinnerungen von Überlebenden sichtbar gemacht – oft gegen anfänglichen Widerstand. So gab es u.a. beim damaligen Schulleiter Ernst-Jürgen Mundt per Telefon mehrfache Forderungen seitens Portaner Bürger, er solle doch bitte die Schülerinnen samt Lehrer der Schule verweisen.
Die Bürgermeisterin hob hervor, dass die damalige Klasse 10A mit ihrem Beitrag zum Bundeswettbewerb für politische Bildung den ersten großen Impuls setzte. Die Schülerinnen erarbeiteten Texte über die KZ-Außenlager, veröffentlichten Artikel in Lokalzeitungen und machten Schicksale von Häftlingen überhaupt erst bekannt.
Auch die spätere Herausgabe des Buches „Das Leben ist schön!“ durch ehemalige AG-Mitglieder habe „die erste wirklich große Welle der öffentlichen Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit in Porta Westfalica“ ausgelöst. Berndt Hedtmann, Vorsitzender des Gedenkvereins, betonte, dass letztendlich auch die Arbeit der AG und die Beharrlichkeit der Schülerinnen dazu geführt habe, dass sich der Verein überhaupt erst gründete.
Besonderen Dank erhielten Wiebke von Bernstorff, Dagmar Böke, Heike Hielscher, Antje Hilpert, Susann Kölling, Stefanie Könnecke, Petra Schuhmacher sowie Gerhard Bothe und Gerd Adolf Hermening (Übersetzer).
Mit großer Wertschätzung erinnerte die Bürgermeisterin an Reinhold Blanke-Bohne: „Die Leistung, aus verstreuten, spärlichen Quellen eine umfassende Geschichte der Rüstungsverlagerungen zu schreiben, ist bis heute nicht hoch genug zu bewerten.“ Seine Diplomarbeit von 1984 war eine der ersten wissenschaftlichen Arbeiten überhaupt zu den KZ-Außenlagern an der Porta. Seine Recherchen seien trotz unvollständiger Quellenlage bis heute Grundlage für Führungen und pädagogische Programme. Besonders berührend war der Hinweis auf sein viel zu frühes Versterben 2002: „Es ist tragisch, dass er die Entwicklung der Gedenkstätte, die auch auf seiner Arbeit beruht, nicht mehr begleiten konnte.“
Zum Abschluss betonte Grotjohann die Bedeutung der Erinnerungskultur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe: „Erinnerungskultur heißt, die historischen Ereignisse zu dokumentieren, die Vergangenheit zu begreifen, die Gegenwart zu gestalten und für die Zukunft die Weichen zu stellen.“ Die Dr.-Jørgen-Kieler-Medaille würdige all jene, die Zivilcourage gezeigt, historische Verantwortung übernommen und den Mut gehabt haben, unbequem zu sein.
Die Auszeichnung gilt nicht nur den damaligen Schülerinnen und Schülern, sondern dem gesamten Netzwerk von Lehrkräften und Engagierten, die seit Jahrzehnten ihre Zeit, Energie und pädagogische Kompetenz in die Erforschung der lokalen NS-Geschichte investieren.
Das Städtische Gymnasium Porta Westfalica setzte mit seiner AG „Das Leben ist schön“ ein eindrucksvolles Zeichen dafür, wie Schule Verantwortung übernimmt – und wie junge Menschen aktiv für Menschlichkeit, Demokratie und Frieden eintraten und auch heute noch eintreten können.
Text und Fotos: Olaf Küster