„Die Menschen vergessen so schnell…“*

12. Jan 2016 Kategorie: Projekte,

Zeitzeugen berichten über ihre Erlebnisse während der NS-Zeit

Am 30. November 2015 besuchten die Zeitzeugen Herr und Frau Rachfall sowie Frau Domke das Gymnasium Porta Westfalica und trafen sich um 15 Uhr mit dem Geschichtszusatzkurs der Q2 im Selbstlernzentrum des Gymnasiums.

Das Ehepaar Rachfall wuchs in Berlin auf, die andere Zeitzeugin, Frau Domke, in Hausberge. Ein weiteres Mitglied des Seniorenbeirates, Frau Heine,  begleitete diese zum Zeitzeugengespräch.

Herr Rachfall stellte zunächst den zeitlichen Verlauf in chronologischer Reihenfolge dar. Weiterhin fragte er den Kurs, ob es präferierte Themen gäbe, welche behandelt werden sollen. Mit der Einstiegsfrage: „Inwiefern […] sie die Begeisterung damals miterlebt [haben]“ begann dann das eigentliche Gespräch.

Die Zeitzeugen stellten Ihre Wahrnehmungen der NS-Zeit anhand von persönlichen Eindrücken dar und beantworteten präzise die Fragen der Schülerinnen und Schüler des Geschichtskurses. Sie erzählten von der anfänglichen Euphorie in der Vorkriegszeit, welche durch die „Hitler Jugend“ und den „Bund Deutscher Mädel“ gefördert worden sei. Dabei beschrieben sie die weitere Entwicklung dieser Jugendgruppen: sie veränderten sich von den üblichen Aktivitäten, wie zum Beispiel Wanderungen und Musikveranstaltungen, zu vormilitärischen Trainingsprogrammen, so die Zeitzeugen.

Darüber hinaus berichtete Frau Domke über das zunächst friedliche bzw. normale Zusammenleben mit der jüdischen Bevölkerung. Allerdings habe sich dies in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 geändert. Die jüdischen Familien in Hausberge seien aus ihren Wohnungen vertrieben und auf den Straßen versammelt worden, erinnert sich Domke. Später mussten Juden auch den Judenstern tragen, doch die Zeitzeugen berichteten, dass die Mehrheit der Bevölkerung eher Mitleid mit den Juden gehabt hätten.

Des Weiteren habe die Bevölkerung in ständiger Angst gelebt, da sie von der Gestapo und einzelnen Blockwarte überwacht wurde. Menschen die sich dem System widersetzten oder einen „nicht akzeptablen“ Glauben hatten, seien einfach verschwunden. Später habe sich herausgestellt, dass diese in Arbeitslager bzw. Konzentrationslager gebracht wurden, wobei man anfangs nicht gewusst habe, wie die Umstände dort waren.

Unter anderem erzählten sie auch von den Zwangsarbeitern, die im Kaiserhof ab 1944, unter sehr schlechten Bedingungen, untergebracht wurden. Da diese sehr erschöpft und hungrig aussahen, beschloss eine der Zeitzeuginnen ihnen gemeinsam mit ihrer Freundin zu helfen, indem sie den Zwangsarbeitern Brote brachten. Dabei mussten sie jedoch sehr vorsichtig sein, denn wenn sie erwischt worden wären, so Frau Domke, hätten sie auch in ein Konzentrationslager gebracht werden können.

Das Leben während der Kriegszeit beschrieben die Zeitzeugen als ebenfalls beängstigend. Als die Amerikaner und die Engländer und später auch die Russen nach Berlin kamen, seien Luftangriffe an der Tagesordnung gewesen. Die Luftschutzkeller seien jedoch nicht besonders gut gesichert gewesen, weshalb es später Bunker gab.

Ab August 1943 fand in Berlin kein Schulunterricht mehr statt, damit die Jugend keiner Gefahr durch Luftangriffe ausgesetzt würde. Ende 1944 seien die evakuierten Schulklassen wieder zurück und der Schulunterricht wurde wieder aufgenommen worden.

Nach dem Krieg habe es Lebensmittelmarken gegeben, wobei Kinder, Hausfrauen, Arbeiter und Schwerarbeiter unterschiedliche Rationen erhielten. Da es generell wenig Lebensmittel gab, habe man auf dem Schwarzmarkt unter anderem mit Zigaretten und Besteck gehandelt. Der Landbevölkerung sei es hingegen etwas besser gegangen als der Stadtbevölkerung, da diese einen eigenen Hof, Tiere und einen Garten besaßen, so Frau Domke.  

Von Juni 1948 bis Mai 1949 fand die Berliner Blockade statt und die Versorgung der Bevölkerung erfolgte per Luft. Dadurch sei die Versorgung der Bevölkerung in Berlin sogar besser geworden, denn sie bekamen Milch- und Kartoffelpulver, Kekse und Schokolade, erinnert sich das Ehepaar Rachfall.

Abschließend betonten die Zeitzeugen die Intention hinter ihren Gesprächen mit Schulklassen. Die Aufklärungsarbeiten der Zeitzeugen, da waren sich alle sicher, seien sehr wichtig, um einerseits die heutige Gesellschaft vor dem Vergessen zu bewahren und sie andererseits für ähnliche rechte Strömungen zu sensibilisieren.

 

*Zitat von Frau Rachfall: Antwort auf die Frage eines Schülers, ob ihrer Meinung nach etwas ähnliches wie die NS-Zeit in Deutschland noch einmal passieren könne.

Foto: Der Q2-Geschichtszusatzkurs von Frau Petzmeier mit den Zeitzeugen Herr Rachfall, Frau Rachfall und Frau Domke sowie Frau Heine vom Seniorenbeirat.

 

Lorena Jannausch und Jana Hofmann (Q2)