„Die meisten verwechseln Dabeisein mit Erleben“ – Essaytext von Benjamin Brinkmann unter den Top 10 des Landes

14. Feb. 2025 Kategorie: Deutsch-Unterricht, Schüler, Sprachen-Wettbewerbe, Unterricht, Wettbewerbe,

Bereits im Februar 2024 veranstaltete die Berkenkamp-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen den Schülerwettbewerb „Deutsch: Essay“. Nach den hohen Teilnehmerzahlen aus den vergangenen Jahren rief die Bezirksregierung Münster erneut die SchülerInnen der Oberstufe dazu auf, sich zu einem der drei gestellten Themen schriftlich zu äußern.

Diesem Aufruf ist Benjamin Brinkmann (aktuell Schüler der Q2) unter Anleitung seiner betreuenden Lehrkraft Frau Löwen gefolgt und hat sich in seinem Essay mit dem Zitat  „Die meisten verwechseln Dabeisein mit Erleben“ von Max Frisch auseinandergesetzt.

„Auf den Schreibprozess folgte eine längere Wartephase, nach welcher die Ergebnisse bekanntgegeben wurden. Mitten auf der Stufenfahrt nach Prag erreichte mich die Nachricht, dass mein Text unter den 10 Gewinnertexten des Landes NRW platziert wurde“, so der erfolgreiche Teilnehmer.

„Dafür wurde ich mit einer Urkunde ausgezeichnet und gewann eine einwöchige Fahrt nach Marbach am Neckar. Unsere Unterkunft befand sich auf dem Campus der Schillerhöhe, auf welcher auch das Deutsche Literaturarchiv liegt. In dieser Woche konnte ich gemeinsam mit den anderen 9 Gewinnern an verschiedenen Workshops, Führungen und anderen Aktivitäten teilnehmen.
Insgesamt war es eine spannende Erfahrung und ich empfehle die Teilnahme an diesem Wettbewerb jedem weiter.“

Auf die Frage, warum er sich dieses Zitat ausgesucht hat, antwortet der Verfasser: „Ich glaube nicht, dass das Hauptziel von Max Frisch war, den Unterschied zwischen „Dabeisein“ und „Erleben“ aufzuzeigen. Vielmehr wollte er die Menschen wachrütteln und aufzeigen, dass sie selbst den Unterschied häufig nicht wahrnehmen und sich dadurch in ihrem Handeln, Leben und Empfinden einschränken. Realisiert ein Mensch nicht, dass er in einer Situation nur „dabei“ ist, verschlechtert er seine eigene Erfahrung. Im Dabeisein entnimmt er der Situation nichts für sich selbst, er gibt auch nichts für andere dazu und wird sie somit nicht in besonderer Erinnerung behalten.

Das „Erleben“ einer Situation kann einen Menschen hingegen glücklich, aber auch traurig machen. Es gibt dem Menschen starke Gefühle und besondere Erinnerungen, welche den Hauptteil des Lebens ausmachen. Und diese besondere Fähigkeit, Dinge zu „erleben“, sie zu empfinden und sich ihrer zu erinnern, ist eines der wertvollsten Geschenke, das wir Menschen erhalten haben.

Viele von diesen Unterschieden lassen sich in alltäglichen Situationen wiederfinden. Für mich persönlich liegt der Schwerpunkt auf dem „Erleben“ […]. Wenn ich mir zum Beispiel ein Stück von Chopin anhöre oder ein Sinfoniekonzert besuche, dann sitze ich nicht einfach nur da und höre zu. Ich nehme die Musik auf, ich fühle sie mit allen Sinnen. Dadurch wird ein Stück Musik für mich zu einem besonderen Stück Leben. Wenn ich einen Roman von Wilde oder Goethe lese, dann ist mein Ziel nicht, ihn möglichst schnell gelesen zu haben, sondern mit den Charakteren mitzuempfinden, ihre Handlungen nachzuvollziehen und den Leseprozess somit zu etwas Besonderem zu machen. Wenn ich einen Spaziergang in der Natur mache, dann gehe ich nicht nur von Punkt A nach B, nein, ich nehme das Ereignis mit allen Sinnen wahr: Ich höre die Vögel, rieche den Waldgeruch, sehe die Pflanzen und fühle den frischen Wind. Und dieses Empfinden mit allen Sinnen genieße ich voll und ganz und mache es somit zu einem besonderen Erlebnis.

Diese Grundsätze gelten auch für Begegnungen mit anderen Menschen: Es ist für mich ein gravierender Unterschied, ob ich einen Abend mit Freunden verbringe, indem ich einfach nur dort sitze und darauf warte, dass der Abend vorbei ist oder ob ich mich mit den Menschen unterhalte und wir gemeinsam Spaß haben.

Vor allem in der heutigen Zeit halte ich es für wichtig, sich des Unterschiedes zwischen „Erleben“ und „Dabeisein“ bewusst zu werden und ich hoffe, […] meine persönlichen „Erlebnisse“ konnten […] überzeugen, dass das „Erleben“ die wertvollere Art ist, sein Leben zu verbringen.

Auch wenn man oft „Dabeisein ist alles“ hört, sollte meiner Meinung nach der Fokus auf dem […] „Erleben“ liegen. „Mittendrin statt nur dabei“ ist somit ein deutlich zutreffenderer Leitspruch für ein glückliches und bedeutungsvolles Leben.“

Wir freuen uns über Benjamins Erfolg, sagen „Herzlichen Glückwunsch!“ und hoffen sehr, dass sich zahlreiche SchülerInnen seinem Beispiel anschließen und sich am kommenden Schreibwettbewerb mit viel Enthusiasmus und Fantasie beteiligen werden.

Lesen Sie hier den vollständigen Text von Benjamin Brinkmann.

Text: Benjamin Brinkmann (Q2) und Marina Löwen, Foto: Marina Löwen